“Woyzeck” neu interpretiert
Besuch der „Woyzeck“-Aufführung des W. Borchert Theaters, Münster
Insgesamt 134 Schülerinnen und Schüler der IGS Melle haben am 24.02.2023 das Wolfgang Borchert Theater in Münster besucht und die dortige „Woyzeck“ Aufführung angesehen. Das gesellschaftskritische Dramenfragment Büchners wird auch in den Leistungs- sowie Grundkursen der IGS in Jahrgang 12 behandelt. Dadurch konnten Förderungen beantragt werden, welche die kompletten Kosten gedeckt haben. So war es möglich eine Sonderaufführung für die IGS zu organisieren. Vielleicht sollte man es nicht als eine Aufführung, sondern vielmehr als eine Interpretation des Büchner Fragments bezeichnen.
Im Folgenden findet sich eine Rezension aus dem Leistungskurs Deutsch DE1 von Apollonia Myrillas:
Das Fragment „Woyzeck“ wird von den Schauspielern des Wolfgang-Borchert-Theater in Münster auf moderne Weise interpretiert.
Es läuft nicht nur moderne Techno Musik, sondern Woyzeck wird auch als Frau dargestellt, die eine Beziehung mit einer anderen Frau führt. Marie, Woyzecks Partnerin, wird als eine Rabenmutter und fremdgehende „Schlampe“ (Wortwahl beabsichtigt) dargestellt.
Woyzeck, gespielt von Erika Jell, wird von der oberen Gesellschaft ausgebeutet, erniedrigt und fertig gemacht. Büchner will in seinem Stück die Unterdrückung von der Unterschicht durch die Oberschicht darstellen, was den Interpreten des Stückes gut gelungen ist.
Das Stück spricht aber nicht nur die ungerechten Verhältnisse an, sondern auch gleichgeschlechtliche Beziehungen, sexuellen Missbrauch, Untreue, psychische Störungen und den Hass, den Menschen, die wie Woyzeck sind, erdulden mussten und immer noch müssen. Verschiedene Szenen werden auf extreme Weise interpretiert. In einer Szene wird der Hauptmann nicht nur rasiert von Woyzeck, wie Büchner es in seinem Stück geschrieben hat, sondern der Hauptmann wird von Woyzeck in ein Lederkorsett geschnürt und ausgepeitscht.
In einer anderen Szene wird Woyzeck vom Tambourmajor erniedrigt, beleidigt und man kann annehmen, dass durch unsittliche Berührungen und sexistische Beleidigungen ein sexueller Missbrauch dargestellt werden soll.
Auch das Bühnenbild lässt Spielraum für Interpretation, die vielen Holzplanken, die immer wieder hin und her wippen, zeigen die wackelige Gesellschaft und die Ungerechtigkeit. Die Figuren stehen oft im Duell gegeneinander und stellen dies dar, indem sie mal oben auf dem Brett stehen, während die andere Person unten steht. Die Bretter wackeln und fallen während des Stückes laut auf den Boden, damit wird der Zuschauer immer wieder in das Stück hereingezogen und erschrocken.
Somit baut sich erneut Spannung und Neugier auf. Außerdem stellt sich die Frage, warum Woyzeck als Frau dargestellt wird, da Büchner den Woyzeck doch als männlichen Charakter beschrieben hat. Das Stück wird auf moderne Weise interpretiert und vorgeführt, es gibt verschiedene Möglichkeiten, die weibliche Besetzung zu interpretieren. Entweder sollte die lesbische Beziehung oder die Unterdrückung der Frauen thematisiert werden oder sie wollten bewusst vom männlichen Geschlecht ablenken, um zu zeigen, Mensch ist Mensch, jedem kann so etwas passieren. In dieser Interpretation wurde die Rolle von Woyzeck weiblich besetzt.
Alles im allem kann man sagen, dass es zwar eine neue und ungewöhnliche Variante des Stückes ist, dennoch eine sehr aufregende und interessante, indem Elemente aus dem Original mit Themen von heute verbunden wurden. So ist es eine sehr expressionistische, gut gelungene Darstellung.